Rechtsanwalt Dr. Bernhard IdelmannGrundzüge des spanischen Handelsvertreterrechts

Spanien ist für exportorientierte Unternehmen aus Deutschland und den deutschsprachigen Ländern wie der Schweiz und Österreich ein interessanter Absatzmarkt. Trotz der noch nicht vollends überstandenen Finanz- und Wirtschaftskrise zeigen sich die 46 Millionen Spanier konsumfreudig. Die Wirtschaft wächst wieder kräftig. Für die Jahre 2016 und 2017 werden Steigerungsraten von jeweils etwa 3% erwartet. Dies liegt deutlich über dem Durchschnitt der EU-Staaten. Wachstumsimpulse setzen auch die in Spanien heimischen EU-Ausländer, die in Spanien eine kaufkräftige Zielgruppe darstellen.
Handelsvertreter spielen im Vertrieb von Waren und Dienstleistungen in Spanien tradionell eine bedeutende Rolle. Auch ausländische Firmen nutzen spanische Handelsvertreter daher oftmals als ein oder ausschließliches Medium zur Markterschließung und zum Verkauf der eigenen Produkte.
Für Handelsvertreterverträge von in Spanien tätigen Handelsvertretern gilt grundsätzlich spanisches Recht.
Obgleich durch die EU-Handelsvertreterrichtlinie die Handelsvertretergesetze auf EU-Ebene angeglichen wurden, bestehen in den EU-Staaten nach wie vor unterschiedliche Regelungen in wirtschaftlich wichtigen Punkten. Hinzukommt, dass die jeweiligen nationalen Gerichte gesetzliche Normen oftmals höchst unterschiedlichen auslegen und bewerten. Daher sollten vor Abschluss eines Vertrages sowohl Handelsvertreter wie auch Unternehmen durch sachkundige Beratung sicherstellen, dass ihre jeweiligen Ziele und Vorgaben rechtswirksam vereinbart werden.
Die wichtigsten Regelungen des spanischen Handelsvertretergesetzes/Ley sobre Contrato de Agencia („LCA“) werden nachstehend dargestellt:
1. Abschluss des Handelsvertretervertrags:
Ein Handelsvertretervertrag kann in Spanien durchaus mündlich oder stillschweigend wirksam geschlossen werden. Gleichwohl empfiehlt es sich, einen Handelsvertretervertrag immer schriftlich abzufassen. Dies dient der Klarheit und zu Beweiszwecken. Gemäß Art. 22 LCA können beide Vertragsparteien auch verlangen, dass der Vertrag schriftlich abgefasst und beidseitig unterzeichnet wird. Der Vertrag sollte auch in spanischer Sprache abgefasst sein. In der Praxis sind zweisprachige – spanisch/deutsche oder spanisch/englische – Vertragstexte weit verbreitet. Im Handelsvertretervertrag sollte jedoch deutlich vermerkt werden, dass die spanischsprachige Version die rechtlich verbindliche Fassung ist.
2. Kündigung und Kündigungsfristen beim Handelsvertretervertrag:
Eine außerordentliche Kündigung ist in beiden Konstellationen möglich, namentlich in den Fällen einer groben Vertragsverletzung durch eine der Vertragsparteien (Artikel 26 Abs. 1 lit. a LCA). Hier hat die spanische Rechtsprechung einen umfangreichen Katalog von Kriterien entwickelt, nach dem einer Vertragspartei ein außerordentliches Kündigungsrecht zugebilligt wird. Eine außerordentliche Kündigung ist danach insbesondere möglich, wenn ein besonders schwerer einzelner Verstoß einer Vertragspartei vorliegt oder geringe Vertragsverstöße wiederholt über einen längeren Zeitraum vorgelegen haben. Vor der außerordentlichen Kündigung sollte daher anhand der Rechtsprechung genau geprüft werden, ob tatsächlich ein anerkannter außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt. Im Hinblick auf die Vertragsgestaltung mit Handelsvertretern kann es daher auch vorteilhaft sein, die Gründe, die zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigten sollen, vorab vertraglich genau festzulegen. Eine außerordentliche Kündigung muss schriftlich erfolgen und den Kündigungsgrund im Detail benennen. Bei unbefristeten Verträgen kann jede Vertragspartei den Vertrag mittels einseitiger, schriftlicher Erklärung kündigen (Art. 25 Abs. 1 LCA). Dabei sind gesetzliche Kündigungsfristen zu beachten. Für jedes Jahr Vertragslaufzeit ist ein Monat Kündigungsfrist vorgesehen. Die maximale Frist beträgt sechs Monate. Bei Vertragslaufzeiten unter einem Jahr beträgt die Kündigungsfrist einen Monat (Art. 25 Abs. 2 S. 2 LCA).
3. Aufgaben und Pflichten des spanischen Handelsvertreters/Wettbewerbsverbot:
Der Handelsvertreter ist verpflichtet, den Verkauf der Waren und Dienstleistunge für den Unternehmer zu fördern (Artikel 5 LCA). Dies schließt nicht nur den Abschluss von Geschäften, sondern auch Marketingaktivitäten und den Aufbau von Vertriebsstrukturen ein. Der spanische Handelsvertreter unterliegt in eingeschränktem Umfang den Weisungen des Unternehmers, wobei jedoch die Unabhängigkeit des Handelsvertreters als selbstständiger Unternehmer nicht in Frage gestellt werden darf.
Der Handelsvertreter hat sich gegenüber dem Unternehmer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben loyal zu verhalten (Artikel 9 LCA). Grundsätzlich ist der Handelsvertreter verpflichtet, seine Aufgaben selbst, also höchstpersönlich wahrzunehmen. Der Handelsvertreter kann auch sogenannte Untervertreter beschäftigen, sofern ihm dies vertraglich gestattet ist. Nach spanischem Recht kann ein Handelsvertreter für mehrere Unternehmen tätig werden, sofern dies vertraglich entsprechend vereinbart wurde. Im Zweifel sollte die Einwilligung des Unternehmers eingeholt werden, für den der Handelsvertreter bereits tätig ist.
Die Vereinbarung einer – zeitlich begrenzten – Einschränkung der Berufsausübung des Handelsvertreters nach Beendigung des Handelsvertretervertrages (Wettbewerbsverbot) ist im Rahmen der Vorgaben der Artikel 20, 21 LCA zulässig und in der Praxis weitverbreitet. Zu beachten sind die gesetzlich vorgegebenen Grenzen eines Wettbewerbsverbots in geographischer und zeitlicher Hinsicht oder Hinblick auf einen bestimmten Kundenkreis. Gesetzlich nicht geregelt ist die Frage, ob und in welcher Höhe der Handelsvertreter einen Entschädigungsanspruch geltend machen kann. In der Praxis empfiehlt es sich, diesbezüglich eine Regelung zu treffen, um später Streit zu vermeiden. Spanische Gerichte neigen dazu, den Klagen von Handelsvertretern auf Zahlung einer Entschädigung für vereinbarte Wettbewerbsverbote stattzugeben und diesen hohe Entschädiungen zuzubilligen. Aus diesem Grunde ist es aus Unternehmenssicht in vielen Fällen empfehlenswert, eine (geringe) Entschädigungszahlung von vornherein vertraglich zu vereinbaren, um solchen Klagen den Boden zu entziehen.
4. Vertragliche Verpflichtungen des Unternehmers/Prinzipals:
Die wesentliche Pflicht des Unternehmers ist die Zahlung der vereinbarten Vergütung. Diese besteht regelmäßig aus einem variablen Element, der Provision für abgeschlossene Geschäfte, kann aber auch Vergütungsbestandteile enthalten, die den Charakter einer fixen Geldzahlung haben. Die Parteien können die Höhe der Vergütung und Provision frei vereinbaren. Hier gelten Markstandards, über die sich die Parteien vorab informieren sollten. Je nach Sektor und Volumen sind Provisionszahlungen von etwa sieben bis zwölf Prozent vom generierten Umsatz (ohne Versand- und Verpackungskosten) weit verbreitet.
Die Provision wird bereits dann fällig, in dem das vermittelte Geschäft ausgeführt wird oder hätte ausgeführt werden können. Der Provisionsanspruch besteht auch dann, wenn das Geschäft aus Gründen, die der Unternehmen zu vertreten hat, nicht zustande kommt. Dagegen entfällt der Provisionsanspruch, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass das Geschäft aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht zur Ausführung kam (Art. 17 LCA). In dem Fall, dass das vermittelte Geschäft vom Vertragspartner nicht oder nur partiell bezahlt wird, stellt sich die Frage, ob der Handelsvertreter in diesen Fällen einen Provisionsanspruch hat. Der Wortlaut des Gesetzes spricht in Art. 14 LCA lediglich von Ausführung des Geschäfts („ejecutado“) und nicht von der Bezahlung des vermittelten Geschäfts. Daraus wird man durchaus schließen können, dass der Provisionsanspruch auch besteht, wenn die vertragliche Zahlungspflicht nicht honoriert wurde. Auf der anderen Seite kann man mit guten Gründen argumentieren, dass der Unternehmer an Geschäften, die nicht bezahlt werden, kein wirtschaftliches Interesse haben kann. Dies spricht eher gegen eine Pflicht zur Provisionszahlung. Um Unklarheiten in diesem für beide Parteien wichtigen Punkt zu beseitigen, sollten diese Thematik im Handelsvertretervertrag eindeutig geregelt werden.
5. Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters und mögliche Ansprüche auf Schadensersatzanspruch nach Vertragsbeendigung:
Das spanische Handelsvertretergesetz sieht vor, dass dem Handelsvertreter nach Ablauf des Handelsvertretervertrags ein Ausgleichsanspruch und unter Umständen auch ein Schadensersatzanspruch zusteht (Artikel 28, 29 LCA).
Zu beachten ist, dass der Ausgleichsanspruch nach Art. 28 LCA in Spanien nur dann besteht, wenn und soweit der Unternehmer durch die Tätigkeit des Handelsvertreters tatsächlich geschäftliche Vorteile erhält, die auch nach Beendigung des Handelsvertretervertrags fortbestehen. Zudem kann vertragswidriges Verhalten des Handelsvertreters dazu führen, dass er den Ausgleichsanspruch teilweise oder gänzlich verliert. Der Höhe nach ist der Ausgleichsanspruch auf die durchschnittliche Jahresvergütung der letzten fünf Jahre beschränkt.
In der spanischen Gerichtspraxis wird der Ausgleichsanspruch des spanischen Handelsvertreters oftmals vom Gericht signifikant reduziert. Dies gilt zum Beispiel in den Fällen, in denen der Unternehmer glaubhaft und substantiiert darlegen kann, dass die Reputation und der Bekanntheitsgrad einer bestehenden Marke signifikant zum Verkaufserfolg des spanischen Handelsvertreters beigetragen haben. In solchen Fällen, wenn schon der Bekanntheitsgrad oder die Marke eines Produktes maßgeblich für den Verkaufserfolg war und dieser eben nicht oder nur in geringem Umfang auf die Aktivitäten des Handelsvertreters zurückzuführen ist, sprechen spanische Gerichte zumeist nur einen Teil, vielfach 50%, der geforderten Ausgleichszahlung zu.
Neben und unabhängig vom Ausgleichsanspruch nach Art. 28 LCA sieht Art. 29 LCA einen Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters vor, wenn ein unbefristeter Vertrag vom Unternehmer gekündigt wird. Entschädigt wird der Handelsvertreter für Aufwendungen, die er im Auftrag des Unternehmens zur Durchführung seiner Vertriebstätigkeit vorgenommen hatte und die er wegen der Kündigung nicht mehr durch Provisionszahlungen erwirtschaften konnte.
Die Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz gemäß Art. 28, 29 LCA bestehen jedoch nicht, wenn der Unternehmer den Vertrag wegen Nichteinhalten der vom Handelsvertreter übernommenen Pflichten gekündigt hat. Das gleiche gilt, wenn der Handelsvertreter selbst den Vertrag gekündigt hat, es sei denn, die Gründe für die Kündigung liegen in einem Fehlverhalten des Unternehmers. Der Ausgleichs- und Schadensersatzanspruch entfällt ebenfalls, wenn der Handelsvertreter sein Geschäft mit Zustimmung des Prinzipals auf einen Dritten übertragen hat. Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche des Handelsvertreters verjähren ein Jahr nach Vertragsbeendigung (Art. 31 LCA).
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